Workshop »Sprachmedialität«
Berlin, 19./20. Februar 2015
Humboldt-Universität zu Berlin • Dorotheenstr. 65 • Raum 5.57
Sprachmedialität zwischen Ereignis und Maschine
„Niemals wird (…) der Begriff der Technik ohne weiteres den Begriff der Schrift erhellen können“ – so ein Diktum Derridas in der Grammatologie. Das Verhältnis der beiden Leitbegriffe in diesem Zitat könnte folgendermaßen formuliert werden: technische Medialität gehört zur écriture dazu, kann von ihr nicht losgelöst werden, dennoch vermag sie die Schrift und ihre Effekte nicht zur Gänze zu erklären (und nicht umgekehrt).
Man könnte sich im Rückgriff auf ein weiteres, möglicherweise enigmatisches Konzept Derridas fragen, ob die Technisierung und Medialisierung des Sprachlichen ein Effekt oder eine Ausbreitung des „Unmotiviert-Werdens“ der Spur bzw. des Zeichens sei, sofern ihr Spielraum erst von diesem Ereignis eröffnet wird. Technomediale Dispositive arbeiten immer schon an diesem Unmotiviert-Werden der Spur oder des Zeichens, was nur möglich sein kann, da „es keine unmotivierte Spur gibt“ und „die Unmotiviertheit der Spur immer schon geworden ist“.
Ferner könnte vor allem die hierbei hartnäckigste Opposition unterwandert werden: die von Immaterialität und Materialität. Da Sprache und Textualität nur im Chiasmus der beiden zu denken sind, erweisen sich einseitige Festlegungen der sprachlichen Medialität und ihrer Ereignishaftigkeit auf der einen oder der anderen Seite als ideologische Vorannahmen. Es ist anzunehmen, dass auch der Gegensatz Ereignis vs. Maschine in diesem Komplex verschoben wird (wie das beim späten Derrida im Anschluss an Paul de Man dann in der Tat auch passiert ist). Aspekte der Medialität der Sprache sollten im Zusammenhang der wechselseitigen Bedingtheit sowie der Spannung von Ereignishaftigkeit und quasi-maschineller Produktion bzw. Iterabilität ausbuchstabiert werden. Mit der Frage danach – wird der Chiasmus von immaterieller Materialität erst in der Dimension des Lesens vollzogen –, wie dadurch Vollzug und Beschaffenheit der Modi und Dispositive der Lektüre, ihrer Seinsweise sich im Zuge des „Unmotiviert-Werdens“ auch verändern.
Tagungsprogramm
Donnerstag, 19. Februar |
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16.00–16.20 |
Eröffnung |
Sektion 1 |
Moderation: Csongor Lőrincz |
16.20–16.50 |
Ludwig Jäger (Universität Aachen/Köln) Sprachmedialität. Einige zeichen- und erkenntnistheoretische Anmerkungen |
16.50–17.20 |
Nicolas Pethes (Universität zu Köln) Actor-Network-Philologie? Überlegungen zum medialen Eigensinn von Schreiben und Lesen |
17.20–17.50 |
Markus Rautzenberg (Freie Universität Berlin? Zeigzeug. Medialität im Spannungsfeld von aisthesis und semiosis bei Martin Heidegger |
17.50–18.20 |
Diskussion |
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Freitag, 20. Februar |
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Sektion 2 |
Moderation: Nicolas Pethes |
10.00–10.30 |
Claus Pias (Leuphana Universität Lüneburg) »Melden und Zeichengeben«: Zur Wissensgeschichte maschineller Übersetzung |
10.30–11.00 |
Rupert Gaderer (Ruhr-Universität Bochum) Der Shitstorm – Das eigentliche Übel der vernetzten Generation |
11.00–11.30 |
Róbert Smid (Eötvös-Universität Budapest) Psychoanalytic Computation: The Hardware of Lacans’s Psychosemiotics |
11.30–12.00 |
Diskussion |
12.00–14.00 |
Mittagspause |
Sektion 3 |
Moderation: Ludwig Jäger |
14.00–14.30 |
Matthias Flatscher (Universität Wien) Wiederholung der Verantwortung – Verantwortung der Wiederholung. Zur ethisch-politischen Dimension der Iterabilität |
14.30–15.00 |
Csongor Lőrincz (Humboldt-Universität zu Berlin) Sprachverstehen – Medialität – Iterabilität |
15.00–15.30 |
Hajnalka Halász (Humboldt-Universität zu Berlin) Die menschliche Rede zwischen tierischer Reaktion des Ich und nicht-menschlicher Gewalt des Du bei W. von Humboldt |
15.30–16.00 |
Diskussion |