Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Institut für Slawistik und Hungarologie

Postjugoslawische Sprachidentitäten in Bosnien-Herzegowina:

Zwischen Dialektloyalität und Ethnozentrismus

Kurzbeschreibung:<br />
Der Krieg in und um Bosnien-Herzegowina 1992-1995 hat alle
innerjugoslawischen Konflikte wie im Brennglas gebündelt. Die
seitherige starke Binnenmigration prädestiniert die Region für
sprachökologische Studien zum Verhandlungsrecht über kommunikative
Ressourcen zwischen Ansässigen und Newcomern sowie zur sprachlichen
Selbst- und Fremdwahrnehmung von Muslimen/Bosnjaken, Kroaten und Serben
im Spannungsfeld von Arealität und Territorialität. <br />
Die sprachrelativistische Frage nach der Vorprägung von Kultur und
Mentalität durch Sprache ist vom aufkommenden Nationalismus in der
jugoslawischen Dialektologie der 1960-1980er Jahre mit dem Konstrukt
ethnischer Dialekte scheinbar beantwortet worden. Auf der Schablone
dieser Studien soll in neuralgischen Innen- und Außengrenzregionen
Bosniens in einer soziolinguistischen Enquête geprüft werden, inwieweit
die ethnisch segregierende Landflucht und die neuen exonormativen
Sprachstandards tatsächlich eine Dialektstigmatisierung bewirkt haben,
oder ob sich Sprachverhalten und -attitüden weiterhin als Folge von
Koineisierung und Akkommodation beschreiben lassen, die mit der
vielbeschworenen bosnischen Multikulturalität korrelieren.<br />
Eine aus der bosnischen Situation abgeleitete Prognose besitzt hohe
tagespolitische Relevanz für die EU-Südosterweiterung, da der auf
Inkomprehensibilität abzielende kroatische Sprachausbau in Zagreb und
die nationalsprachlich-bosnjakische (Re)Kalibrierung bereits zu
Spannungen innerhalb der kroatisch-bosnjakischen Entität führen. <br />