Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Institut für Slawistik und Hungarologie

Forschungsprojekte von Prof. Dr. Christian Voß

Kontakt- und soziolinguistische Untersuchungen bei den slawischsprachigen Muslimen in West-Thrakien (Griechenland)

DFG-Projekt (VO 884/2-2)

Projektdauer: 2008-2010

 

Zusammenfassung

Das Projekt befasst sich mit einer Teilgruppe der slawischsprachigen Balkanmuslime, den sog. Pomaken im griechischen West-Thrakien. Sprachlich und identitär sind sie durch das Schwanken der griechischen Außen- und Minderheitenpolitik zwischen der „Gefahr aus dem Norden“ (Bulgarien) und der „Gefahr aus dem Osten“ (Türkei) geprägt: Seit 1951 sind die pomakischen Schulkinder einer extremen Submersion ausgesetzt, als griechisch-türkische Minderheitenschulen für alle Muslime Thrakiens verbindlich wurden. Erst seit den 1990er Jahren versucht die griechische Politik, die Turzisierung der Pomaken durch die Förderung einer (vor allem sprachlich gestützten) Regionalidentität zu bremsen, die von den Sprachträgern selbst vehement abgelehnt wird.

Die heutige Situation der traditionell dreisprachigen Pomaken zeichnet sich durch neue Formen der räumlichen und sozialen Mobilität aus, die auf eine rasante Assimilation an das Griechische oder das Türkische hinauslaufen. Dies prädestiniert die Gruppe für ethnologische und kontaktlinguistische Studien (trilinguales Codeswitching, Sprachwechsel, Ethnizität und Sprache).

 

Mitarbeiterin: Maria Manova, M.A., Ruža Tokić, M.A.

 

 

 

Russisches Kirchenslawisch im 15. und 16. Jahrhundert zwischen innovativer Neuübersetzung, archaisierender Redaktion und Normierungsbestrebungen (mit Prof. Juliane Besters-Dilger/Freiburg)

DFG-Projekt (VO 884/4-1)
Projektdauer: 2008-2010

 

Zusammenfassung

Ziel des vorgeschlagenen Projekts ist die Überprüfung der landläufigen Vorstellung einer eindimensionalen Archaisierung und Rebulgarisierung des kirchenslavischen Schrifttums im mittelalterlichen Russland des 15. und 16. Jahrhunderts. Anhand der Gennadij-Bibel von 1499, weiterer Textzeugen aus Novgorod und den hieraus hervorgehenden, aber in einem politisch anderen Kontext stehenden Großen Lesemenäen des Metropoliten Makarij sollen einerseits die innerrussischen Bezüge, andererseits das Verhältnis zur bulgarischen Tradition beleuchtet sowie die Frage nach der Norm des Russisch-Kirchenslavischen im 15./16. Jh. beantwortet werden. Das Pilotprojekt beschränkt sich hierbei auf ein überschaubares Korpus, um sich im Gegensatz zur bisherigen Freiburger Edition der Großen Lesemenäen (VMČ) stärker auf die editionsbegleitende Forschung zu konzentrieren. Zum zweiten soll der beforschte Text in moderner Form (auf Papier und elektronisch) und möglichst rasch der Wissenschaft zugänglich gemacht werden. 


Mitarbeiterin: Dr. Marina Bobrik

Studentische Hilfskräfte: Evgenija Turtsova, Anna Jouravel

 

 

 

Serbizität in Bosnien-Herzegowina zwischen Dialektloyalität und Ethnozentrismus

DFG-Projekt (VO 884/5-1)
Projektdauer: 2009-2011

 

Zusammenfassung

Die „ethnischen Säuberungen“ im Bosnien-Krieg 1992-1995 und die Einrichtung zweier ethnisch basierter Entitäten stellen Bosnien-Herzegowina in eine Reihe mit Nordirland und dem Libanon und werfen die Frage auf, ob und wie Sprachgebrauch in fragmentierten Nachkriegsgesellschaften intralingual ethnisch markiert wird. Unser Erkenntnisinteresse zielt auf die rezente sprachliche Divergenz, die heute die supraethnische Akkommodation und die bosnische Variantenneutralität (zwischen Kroatisch und Serbisch) aus jugoslawischer Zeit ablöst.

 

Mit Hilfe von matched guise-Tests sollen im Zentrum der Republika Srpska Banja Luka sprachliche Selbst- und Fremdwahrnehmung von Muslimen, Kroaten und Serben und somit erstmals Sprachwandel in Ex-Jugoslawien als Bottom-Up-Prozess analysiert werden. Hierfür fokussieren wir die Sprachattitüden bosnischer Serben, da ihre Identität zwischen Belgrad-orientiertem Ethnozentrismus und lokalpatriotischer Dialektloyalität die komplexeste ist.

 

Das Projekt besitzt in zweifacher Hinsicht hohe politische Relevanz: Einerseits ist Sprache nach Giles/Sachdev 2004 Indikator für Integrationsbereitschaft bzw. Segregationspotenzial einer Gesellschaft und hat hohe Aussagekraft für die Nachhaltigkeit der aufwändigen Bosnien-Kriegsrückkehrerprogramme der UNO, aber auch für die serbische nationale Frage und somit die Befriedung des Westbalkans. Andererseits lässt sich gerade in Bosnien-Herzegowina zeigen, wie weit die Ausdifferenzierung der Nachfolgesprachen des Serbokroatischen gediehen ist und welche Konsequenzen sich hieraus für die EU-Sprachenpolitik im Südost-Erweiterungsprozess ergeben.

 

Mitarbeiterin: Dr. Nataša Tolimir-Hölzl

Studentische Hilfskräfte: Larisa Halilović, Andrea Skotović

 

 

 

Melting Borders: An Ethnography of the Movement of Peoples, Goods, and Symbols in Border-areas between Greece and the Republic of Macedonia

DFG-Projekt (VO 884/9-1)
Projektdauer: 2010-2013

 

Summary
This is a project to investigate the porous nature of political and economic boundaries between Greece and the Republic of Macedonia. Although Macedonia and Greece have been engaged in a political dispute over Macedonia’s name since the independence of the Republic of Macedonia in 1991, there have been massive economic exchanges between the two countries.  Greece is the largest investor in Macedonia’s most important economic sectors, while the border areas have experienced unprecedented movements of goods and people. Although we plan to build on earlier analyses of the naming dispute and of each country’s quest for “historical” legitimacy/justice in claiming the name of Macedonia, our inquiry will be informed by literature on neoliberalism and the changing nature of nation-states.  We will therefore focus on the economic interests that bypass national boundaries and affect the actual and symbolic construction of borders. Our primary research objective will be to offer a new approach to understanding how borders, grounded in the neoliberal context and currently experiencing the world-wide economic recession, affect different actors, take on, lose or shift people’s senses of national distinction, social difference, historical legitimacy and material inequalities.

 

Mitarbeiterin: Dr. Rozita Dimova

 

 

 

Gender und Sprache in Südosteuropa: Sprachliche Manifestationen von Gender­konzep­tua­li­sierungen in Albanien, Kroatien und Serbien (mit Prof. Antje Hornscheidt, HU Berlin)

DFG-Projekt (VO 884/10-1)
Projektdauer: 2010-20

 

Zusammenfassung

Das Projekt untersucht anhand der drei südosteuropäischen Transformationsländer Alba­nien, Kroatien und Serbien die Interdependenz von genderpolitischen und -linguistischen Aspekten: Die (im europäischen Vergleich extrem dynamische) De- bzw. Restandardisierung impliziert die Konstruktion der eigenen Europäizität, die die sprachpolitische Umsetzung der EU-Gleichstellungspolitik nach sich zieht. Das Projekt untersucht aus einer pragmatisch-soziolinguistischen, von neueren Gendertheorien geprägten Perspektive die Konzeptuali­sie­rung grammatikalisierter gender(un)­spezi­fi­zierender nominaler personaler Referenzen. Auf den Analyse­ebenen der Produktion und Perzeption soll die Bedeutung von linguistischen Appellationspraktiken für Diskriminierungs­prozesse in parallel angelegten Testreihen em­pi­risch erprobt werden, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den drei unter­suchten Ländern herauszustellen. Auf diese Weise können detaillierte Daten zum Zusammenhang von gesellschaftspolitischen Entwicklungen, Sprachpolitiken und Gender­kon­zep­tua­li­sie­rungen gewonnen werden. Die betrachteten Sprachpraktiken besitzen die derivationellen Möglich­keiten, um sym­me­tri­sche Appellationsformen herzustellen. Der postkom­mu­ni­stische backlash im Sinne einer Retraditionalisierung von Geschlechterrollen führt jedoch meist zu einer offenen Ablehnung gen­dersensitiver Sprachpolitik.


Mitarbeiterin: Simone Rajilić, M.A.

Mitarbeiterinnen im Zentrum für Transdisziplinäre Genderstudien: Roswitha Kersten-Pejanić, M.A., Delina Binaj, M.A.

Studentische Hilfskraft: Rumjana Takeff

 

 

 

Muslime auf dem Südbalkan im 21. Jahrhundert: Zwischen Transnationalismus und Reethnisierung“ im Förderschwerpunkt „Islam, modernen Nationalstaat und transnationale Bewegungen

Gerda-Henkel-Stiftung
Projektdauer: 2010-2011

 

Zusammenfassung

Im Rahmen postsozialistischer Transformation erhalten die Muslime in der „grünen Transversale“ von Albanien über Griechenland und Bulgarien bis an die türkische Grenze erst heute die Möglichkeit, ihre kollektive Identität auszuverhandeln. Hierbei gibt es mehrere Optionen: Einerseits ist seit dem 19. Jahrhundert eine Konflation von Islam und Türkentum in Eigen- und Fremdwahrnehmung der Balkanmuslime zu verzeichnen. Andererseits steht die Möglichkeit offen, sich in die nächstgrößere muslimische Minderheit im Land (auf dem Westbalkan die albanische Option) oder in die Mehrheitsgesellschaft zu assimilieren, oder aber einen häufig grenzüberschreitenden Ethnoregionalismus zu initiieren.

Mit dem Fokus auf kleinere Gruppen auf dem Südbalkan betreten wir Neuland, da der postsozialistische „Neue Islam“ bisher nur – im Rahmen einer konfliktorientierten Südosteuropaberichterstattung – an größeren Gemeinschaften wie den Bosniaken oder den Kosovaren thematisiert worden ist.

Bei Feldforschungen in der Region soll durch Diskursanalyse der lokalen und regionalen Presselandschaften und durch Interviews vor Ort der Prozess konkurrierender Vergesellschaftungsprozesse dokumentiert und die Rolle der islamischen Religion im Vergleich zu anderen Faktoren innerhalb dieser Prozesse herauskristallisiert werden. Da hier wirtschaftlich isolierte und sozial rückständige (Berg)Regionen untersucht werden, kann die Verdolmetschung nationaler Inhalte in die lokalen Lebenswelten in Laborqualität beforscht werden.


Mitarbeiter:

Dr. des. Christoph Giesel, Ruža Tokić, M.A.

 

 

 

Bilaterale DFG-Projekte

 

Die serbische Übersetzung des Versprologs in der Handschrift Wuk 29 der Berliner Staatsbibliothek (mit Prof. Lora Taseva, Sofia)

(VO 884/3-1)

Porjektdauer: 2008-2010

 

Russisch-chinesische interethnische Kommunikation damals und heute. Zur zweiten Generation des sinorussischen Pidgin (mit Prof. Kapitolina Fedorova, St.Petersburg)

(436 RUS 113/960/0-1)

Projektdauer: 2008-2010

 

Staatssozialismus als Kulturvermittler? Bulgarische Literatur in deutscher Übersetzung (1944-1989)

(mit Dr. habil. Ljubka Lipčeva-Prandževa, Plovdiv)

(VO 884/6-1)
Projektdauer: 2009-2010

 

Deutsch-serbisches Assoziationswörterbuch (mit Prof. Dr. Rajna Dragićević, Belgrad) 

(VO 884/8-1)

Projektdauer: 

2009-2010