Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Institut für Slawistik und Hungarologie

Humboldt-Universität zu Berlin | Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät | Institut für Slawistik und Hungarologie | Mitarbeiter/innen | Frau Katharina Tyran | Exkursion im Rahmen des Seminars „Minderheiten und Identität im Grenzraum Österreich-Ungarn-Slowakei"

Exkursion im Rahmen des Seminars „Minderheiten und Identität im Grenzraum Österreich-Ungarn-Slowakei"

Exkursionsbericht

 

Im Rahmen des Seminars „Minderheiten und Identität im Grenzraum Österreich-Ungarn-Slowakei“ (Sommersemester 2010) wurde vom 24. Mai 2010 bis 29. Mai 2010 eine grenzüberschreitende Exkursion nach Wien, ins Burgenland sowie die angrenzenden Gebiete in Ungarn und der Slowakei unternommen. 12 StudentInnen aus drei BA-Jahrgängen waren unter der Leitung von Katharina Tyran in den genannten Gebieten unterwegs und haben sich hier mit den Burgenländischen Kroaten als thematischem Schwerpunkt beschäftigt.

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Zielgebiet der Exkursion 

 

Ziel der Exkursion war die Vertiefung und Veranschaulichung der Minderheitenproblematik in diesem Grenzraum, um so auch den Vergleich zu ähnlichen Gebieten zu ermöglichen. Die StudentInnen hatten die Möglichkeit, theoretisches Wissen zu den Themen Identität, Grenzen, Minderheiten und ethnische Gruppen, mit denen sie sich im Vorfeld im Rahmen des Seminars auseinandergesetzt hatten, vor Ort kritisch anzuwenden und zu hinterfragen. Durch das breitgefächerte Programm, das u.A. Treffen mit Vorsitzenden von Minderheitenorganisationen, Besuche in Zeitungs- und Rundfunkredaktionen sowie zweisprachigen Bildungseinrichtungen vorsah, erhielten die StudentInnen Einblicke in diverse Bereiche und das Leben vor Ort.

 

Der erste Arbeitstag fand in Wien statt und begann mit einem Gespräch mit der ehemaligen Minderheitensprecherin der Grünen im österreichischen Nationalrat, Terezija Stoisits. Sie verband berufliche Erfahrungen und Informationen zur Minderheitenpolitik in Österreich und private Eindrücke zu diesem Thema – sie selbst wuchs in einem kroatischsprachigen Dorf im Südburgenland auf – in der Diskussion. Danach folgte ein Besuch im Österreichischen Volksgruppenzentrum in Wien, wo der Generalsekretär Hubert Mikel Einblicke in das Arbeitsfeld und die Tätigkeit dieser NGO gab. Ein weiterer Programmpunkt war das Kroatische Zentrum in der Wiener Schwindgasse, das Frau Gabriella Novak-Karall vorstellte: Hier erhielten die StudentInnen die Möglichkeit, den privaten zweisprachigen Kindergarten zu besuchen sowie die studentische Organisation Hrvatski akademski klub kennenzulernen.

 

Der Mittwoch führte die Gruppe ins nördliche Burgenland und über die Grenze: Nach einem Besuch der zweisprachigen Volksschule in Parndorf folgte ein Treffen mit Jugendvertretern (Klub mladih Hrvata) in Jarovce und ein Besuch des kroatischen Museums in Devinska Nová Ves. Es handelt sich hierbei um zwei von insgesamt noch vier kroatischsprachigen Ortschaften in der Slowakei, die mittlerweile Vororte von Bratislava bilden. Auf dem Rückweg machten sich die StudentInnen noch auf die Suche nach dem Dreiländereck und standen am Ende genau an jenem Punkt, an dem die drei Staaten Österreich, Ungarn und Slowakei aneinander grenzen.

 

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Am Dreiländereck

 

Am kommenden Tag stand das südliche Burgenland auf dem Programm. Den Vormittag verbrachte die Gruppe im zweisprachigen Gymnasium in Oberwart, wo der Direktor Martin Zsivkovits Rede und Antwort stand. Außerdem durften die StudentInnen sowohl im Ungarisch- als auch Kroatischunterricht hospitieren. Dieses Gymnasium bietet seinen Schülern die Möglichkeit des zweisprachigen Unterrichts in ungarischer und deutscher oder kroatischer und deutscher Sprache. Danach stand das Museum des Eisernen Vorhanges in Felsőcsatar auf dem Programm. Hier, unweit der Grenze zwischen Österreich und Ungarn, hat Sándor Golyák auf eigene Initiative dieses Freiluftmuseum aus Originalteilen aufgebaut, um wie er selbst sagt, diesen Teil der Geschichte nicht vergessen zu lassen.

 

Am letzten Arbeitstag begaben sich die StudentInnen anfangs in das Mittelburgenland und besuchten die KUGA (Kulturna zadruga) in Großwarasdorf. Diese Institution fing als kleine Minderheiteninitiative an und weitete sich über die Jahre zu einem über die Region bekannten Kulturzentrum aus, welches in Teilen auch aus Mitteln der EU finanziert wird. Aus dem österreichischen Burgenland führte der Weg in den ungarischen Teil, zur zweisprachigen Schule in Kopháza, um dann über Sopron in die burgenländische Landeshauptstadt Eisenstadt zu fahren. Hier besuchten die StudentInnen Medieneinrichtungen: Zuerst die Redaktion der Wochenzeitung Hrvatske novine zu einem Gespräch mit dem Chefredakteur Petar Tyran, danach die Minderheitenredaktion des Österreichischen Rundfunks ORF, welche für das öffentlich-rechtliche Programm für die österreichischen Volksgruppen zuständig ist.

 

Die Exkursion war sowohl für die Leiterin Katharina Tyran – die sich mit diesem Thema in ihrer Dissertation auseinandersetzt – als auch für die StudentInnen eine sehr intensive und interessante Erfahrung, die vielseitige Einblicke bot. Schon vor Ort und auch danach noch wurden immer wieder verschiedene Themenaspekte der Reise umfassend und angeregt diskutiert. Das Ziel, ein möglichst breites Spektrum abzudecken, wurde in jedem Fall erreicht und die Tage vor Ort haben einerseits viele Fragen beantwortet, aber auch neue, interessante Fragestellungen zur Visualisierung und Thematisierung physischer, sprachlicher und kultureller Grenzen aufgeworfen.